Die Arbeit unserer Gruppe zeichnet sich vor allem durch die Vielzahl unterschiedlicher dynamischer Messmethoden aus, die meist komplententär auf einzelne Fragestellungen angewandt werden. Daher arbeiten wir auch stets an einem immer tiefergehenden Methodenverständnis, um verschiedene Techniken erfolgreich miteinander kombinieren und in Beziehung setzen zu können.

Bild: AG Blochowicz

Breitbandige dielektrische Spektroskopie (BDS)

Mittels breitbandiger dielektrischer Spektroskopie (engl. broadband dielectric spectroscopy) kann die zeitabhängige Antwort einer Probe auf äußere elektrische Felder charakterisiert werden.

Entspricht die Oszillationsfrequenz genau der charakteristischen Rotationsfrequenz der Moleküle in der Probe, ergibt sich bei dieser Frequenz ein Abfall in ε′(ν) und ein Peak in ε′′(ν.)
Entspricht die Oszillationsfrequenz genau der charakteristischen Rotationsfrequenz der Moleküle in der Probe, ergibt sich bei dieser Frequenz ein Abfall in ε′(ν) und ein Peak in ε′′(ν.)

Da die makroskopische dielektrische Permittivität der Probe sich aus den mikroskopischen Dipolmomenten der einzelnen Moleküle zusammensetzt, lässt sich aus den Ergebnissen der BDS direkt Rückschluss auf die Moleküldynamik in z.B. einfachen Flüssigkeiten oder Mischsystemen ziehen.

In einem typischen Experiment wird an die Probe ein elektrisches Wechselfeld mit Oszillationsfrequenz ν angelegt und die Frequenz im Bereich 10−2 Hz ≤ ν ≤ 107 Hz durchgestimmt. So erhält man die frequenzabhängige und komplexe dielektrische Permittivität ˆε(ν) = ε′(ν) − i ε′′(ν), wobei der Realteil den reversiblen Teil und der Imaginärteil den Verlustanteil der Permittivität beschreibt. Entspricht die Oszillationsfrequenz genau der charakteristischen Rotationsfrequenz der Moleküle in der Probe, ergibt sich bei dieser Frequenz ein Abfall in ε′(ν) und ein Peak in ε′′(ν) wie in der Abbildung dargestellt.

Mit Hilfe der BDS lassen sich für unterkühlte Flüssigkeiten die einzelnen Relaxationsprozesseund deren Temperaturabhängigkeit charakterisieren. Für Monohydroxyalkohole (siehe Abbildung) enthält ein solches Spektrum typischerweise den α-Prozess bei mittleren Frequenzen, der die Reorientierungeinzelner Moleküle beschreibt, und einen langsamen Debye-Prozess bei kleinen Frequenzen,der sich auf Reorientierung von wasserstoffbrückengebundenen Strukturen, bestehend aus mehrerenMolekülen, zurückführen lässt. Zusätzlich zeigen sich weitere schwache Relaxationen bei hohen Frequenzen.

Zusätzlich zu den Experimenten im Frequenzbereich 10−2 Hz ≤ ν ≤ 107 Hz stehen Zeitdomänen-Experimente (10−6 Hz ≤ ν ≤ 101 Hz) und verschiedene Hochfrequenzverfahren (108 Hz ≤ ν ≤1012 Hz) zur Verfügung. Diese große Breitbandigkeit der BDS stellt eine wesentliche Stärke derMethode dar. Sie ermöglicht die Charakterisierung der Relaxationsprozesse in Flüssigkeiten von Temperaturen nahe des Siedepunktes bis tief ins Glas hinein.

Bild: AG Blochowicz

Depolarisierte Dynamische Lichtstreuung (DDLS)

Mittels DDLS wird die Reorientierung von Molekülen in einer Flüssigkeit durch Analyse des Streulichts untersucht. Bei sphärischen Molekülen ist der beim Streuvorgang induzierte molekulare Dipol immer parallel zum elektrischen Feldvektor des eingestrahlten Lichts.

Zwei Methoden der Lichtstreuung geben Auskunft über molekulare Dynamik auf verschiedenen Zeitskalen. Links: Tandem Fabry Perot Interferometrie misst die spektrale Verteilung des Streulichtes im Gigaherz bis Teraherz Bereich (d.h. Pikosekunden bis Nanosekunden). Rechts: Photonenkorrelations Spektroskopie misst zeitliche Fluktuationen der Streulicht Intensität von Nanosekunden bis zu einigen tausend Sekunden. Beide Messergebnisse kann man sowohl in der Frequenz- (Suszeptibilität, unten links) als auch in der Zeitdomäne (Korrelationsfunktion, unten rechts) darstellen.
Zwei Methoden der Lichtstreuung geben Auskunft über molekulare Dynamik auf verschiedenen Zeitskalen. Links: Tandem Fabry Perot Interferometrie misst die spektrale Verteilung des Streulichtes im Gigaherz bis Teraherz Bereich (d.h. Pikosekunden bis Nanosekunden). Rechts: Photonenkorrelations Spektroskopie misst zeitliche Fluktuationen der Streulicht Intensität von Nanosekunden bis zu einigen tausend Sekunden. Beide Messergebnisse kann man sowohl in der Frequenz- (Suszeptibilität, unten links) als auch in der Zeitdomäne (Korrelationsfunktion, unten rechts) darstellen.

Das gestreute Licht besitzt somit die gleiche Polarisation wie das eingestrahlte Licht. Bei beliebig geformten Molekülen ist dies nicht der Fall und das gestreute Licht enthält Anteile, die senkrecht zur Polarisation des eingestrahlten Lichts polarisiert sind. Untersuchung dieser Anteile liefert Informationen über die Reorientierungsdynamik der Moleküle.

Eine Methode der DDLS ist die Photonen-Korrelationsspektroskopie (PCS). In der PCS wird die zufällig fluktuierende Intensität des von einer Probe gestreuten Lichts in Abhängigkeit der Zeit gemessen und die Intensitäts-Autokorrelationsfunktion bestimmt. Diese ist bei t=0 maximal und nimmt aufgrund der Bewegung der Moleküle mit der Zeit ab. Die Zeitskala, auf der dieser Korrelationsabfall stattfindet und dessen genauer Verlauf liefern dann Informationen über die Dynamik der Moleküle in der Probe.

Eine weitere Technik der DDLS ist die Tandem-Fabry-Perot-Interferometrie (TFPI). Dieser Methode liegt die Tatsache zugrunde, dass sich die Dynamik der Moleküle im Streumedium auch auf die Frequenz des gestreuten Lichts auswirkt. Das Streuspektrum ist dadurch gegenüber dem Spektrum des eingestrahlten Lichts verbreitert. Bei einem TFPI handelt es sich um einen durchstimmbaren, extrem schmalbandigen Frequenzfilter bestehend aus zwei Fabry-Perot-Interferometern (FPI), mit dem sich die Intensität des gestreuten Lichts in Abhängigkeit der Frequenz messen und damit die spektrale Dichte bestimmen lässt. Aus dieser spektralen Dichte lässt sich eine generalisierte Suszeptibilität berechnen, die einen Vergleich der Daten mit anderen Methoden, wie PCS und BDS ermöglicht.

Durch Kombination dieser verschiedenen Methoden lässt sich auch mit der DDLS ein sehr großes Frequenzintervall, welches von 10−6 Hz bis 1013 Hz reicht, abdecken. Ein Vorteil der DDLS gegenüber der BDS ist die Tatsache, dass auch die Dynamik von Molekülen untersucht werden kann, die kein permanentes Dipolmoment besitzen. Voraussetzung ist eine ausreichend große optische Anisotropie der Moleküle.

Video

Aufnahme von einem fluktuierenden Specklemuster der Streustrahlung aufgrund von Molekülbewegungen, wie es in der Photonenkorrelaitonsspektroskpie ausgewertet wird.

Bild: AG Blochowicz

Triplett-Solvatationsdynamik (TSD)

Bei der TSD handelt es sich um eine optische Messmethode, mit deren Hilfe die lokale Reorientierungsdynamik von Molekülen zugänglich ist. Farbstoffmoleküle, welche hochverdünnt in der zu untersuchenden Flüssigkeit gelöst sind, dienen hierbei als Sonden für die Dynamik.

Um nun die lokale Reorientierungsdynamik der Moleküle messen zu können, wird zunächst der vorliegende Gleichgewichtszustand in der ersten Solvatationshülle um die TSD-Sonde (∼ 1 nm) gestört. Dies lässt sich durch die Anregung der TSD-Sonden mittels UV-Laserpulsen realisieren. Da sich das gestörte System energetisch nicht im Gleichgewicht befindet, beginnen sich die Moleküle in nächster Nähe zur TSD-Sonde neu auszurichten – sie reorientieren. Dies wiederum führt zu einer spektralen Verschiebung des Phosphoreszenzspektrums, welches von der TSD-Sonde emittiert wird.In dieser spektralen Verschiebung steckt somit die Information über die lokale Reorientierungsdynamik der Moleküle. Mit Hilfe der zeitaufgelösten Messung der Phosphoreszenzspektren, ist in einem TSD-Experiment daher nun die lokale Reorientierungsdynamik der Moleküle zugänglich.

Werden dabei polare Farbstoffmoleküle als TSD-Sonden verwendet, so kann auf diese Weise ein lokales dielektrisches Experiment durchgeführt werden, während es sich bei der Verwendung von unpolaren Farbstoffmolekülen um ein lokales mechanisches Experiment handelt.

Die lokalen Informationen, die mit der TSD-Methode in solchen Experimenten generiert werden,sind dabei von besonderem Interesse, wenn beispielsweise die Geometrie eingeschränkt ist (Confinement) oder generell zu erwarten ist, dass makroskopische Antwort des Systems von anderen dynamischen Eigenschaften dominiert wird als die mikroskopische. Als Beispiel hierfür sei auf wasserstoffbrückenbildende Systeme verwiesen.

Video

Hier finden Sie ein Video einer TSD-Sonde.

Bild: AG Blochowicz

Differenzkalorimetrie (DSC)

Die dynamische Differenzkalorimetrie (differential scanning calorimetry; DSC) ist ein Verfahren zur thermischen Analyse und Identifikation von Phasenübergängen. Anhand der Methode können Kristallisations- und Schmelzvorgänge sowie Glasübergänge beobachtet werden.

Da bei physikalischen Umwandlungsprozessen Energie vom System aufgenommen bzw. abgegeben wird, können Umwandlungsprozesse anhand von Temperaturdifferenzen identifiziert werden. Hierzu wird die Wärmemenge gemessen, die benötigt wird, um die zu untersuchende Probe sowie eine leere Referenzprobe auf eine bestimmte Temperatur zu bringen.

Findet während der Messung eine physikalische Umwandlung in der Probe statt, verändert sich die Temperatur und somit der Wärmestrom QP der Probe im Vergleich zu QR in der leeren Referenz. Anhand der gemessenen Differenz kann so auf physikalische Umwandlungen geschlossen werden.

Im Experiment können Temperaturen von ca. 200 °C bis −180 °C mit einer festen Heizrate im Bereich von 5 bis 80 K/min untersucht werden. In Abhängigkeit der Temperatur wird eine DSC-Kurve aufgenommen, bei der die physikalischen Umwandlungsprozesse durch eine sprunghafte Änderung des Wärmestroms sichtbar werden.

Beispielhaft ist ein schematisches Thermogramm für einen amorphen Kunststoff mit einer Glasstufe abgebildet. Beim Aufheizen der Probe erfolgt ein Glasübergang (A1) bei der die Probe mitzunehmender Temperatur in den flüssigen Zustand übergeht. Anschließend führen vorhandene Kristallisationskeime zu einer kalten Kristallisation (A2). Erhitzt man die Probe weiter schmilzt dieser Kristall (A3) und bei noch höheren Temperaturen verdampft sie (A4). Durch die Messmethode können so Phasenumwandlungen von zahlreichen Stoffen bestimmt werden.

Bild: AG Blochowicz

Quasielastische Neutronensteuung (QENS)

QENS nimmt unter den dynamischen Messmethoden eine herausragende Stellung ein, da zu der dynamischen Information, z.B. über die charakteristische Zeitskala eines Relaxationsprozesses, noch eine räumliche Information gewonnen wird.

Die zusätzlich gewonnene räumliche Information ist, auf welcher Längenskala diese Relaxation stattfindet, was durch den Streuvektor q charakterisiert ist. Besonders ist dabei, dass die Wellenlänge thermischer Neutronen (≈ 0.025 eV) im Bereich von einigen Ångstrom liegt, was gerade den typischen Abständen zwischen Atomen bzw. Molekülen in kondensierter Materie entspricht. Im Vergleich zu Röntgenstrahlung, die auf gleicher Wellenlänge liegen kann, ist jedoch aufgrund der Ruhemasse der Neutronen die Energie bei gleicher Wellenlänge viel geringer,so dass kleine Energieveränderungen, die beim Streuvorgang auftreten und Information über Relaxationsprozesse im zu untersuchenden Material liefern, viel leichter detektiert werden können und so Energieauflösung von Mikroelektronenvolt und darunter erreicht wird (vgl. Abb.). Da die Energieänderungen klein sind nennt man die Streuung ”quasi-elastisch”.

Eine weitere Besonderheit ist der enorm hohe (inkohärente) Streuquerschnitt von Wasserstoff im Vergleich zu anderen Elementen und Isotopen. Das erlaubt es einerseits die ”tagged-particle”Dynamik von Molekülen zu beobachten, die Wasserstoff enthalten (was auf die meisten organischen und viele anorganische Substanzen zutrifft) und andererseits auch durch gezielten Austausch von Wasserstoff mit Deuterium (viel kleinerer Streuquerschnitt) die Methode für bestimmte Moleküle"blind“ zu machen und so selektiv die Dynamik einer bestimmten Spezies zu verfolgen. Als Beispiel ist nebenstehend die Relaxation von Glyzerinmolekülen im Inneren von 4.8 nm großen Mikroemulsionströpfchen bei Temperaturen von 380 – 250 K gezeigt, die mit einer Kombination aus einem Rückstreu- und einem Flugzeitspektrometer am ILL in Grenoble gewonnen wurden.

Videos unserer Messmethoden

DDLS

Aufnahme von einem fluktuierenden Specklemuster der Streustrahlung aufgrund von Molekülbewegungen, wie es in der Photonenkorrelaitonsspektroskpie ausgewertet wird.

TSD

Nach Anregung mit dem UV-Laserpuls luminesziert die TSD-Sonde. Im TSD-Experiment wird davon die Phosphoreszenz spektral- und zeitaufgelöst detektiert, um Informationen über die lokale Reorientierungsdynamik der Moleküle zu erhalten.