Für die biologische Funktion von Proteinen ist das Vorhandensein einer Hydrathülle – oder einer geeigneten anderen Lösungsmittelhülle – erforderlich. Das Zusammenspiel von Protein- und Lösungsmitteldynamik bei der biologischen Funktion ist jedoch nur teilweise verstanden.

Makromolekulares Gedränge

Proteine sind in biologischen Zellen gemeinsam mit anderen Makromolekülen dicht gepackt und werden nur von dünnen Lösungsmittelschichten umgeben, die neben Wasser verschiedene weitere Kosolventien enthalten. Aufgrund dieser Komplexität untersuchen wir die Zusammenhänge anhand geeigneter Modellsysteme. Beispielsweise verändern wir für das Bindegewebsprotein Elastin gezielt die Menge und die Zusammensetzung des Lösungsmittels oder imitieren das „Crowding“ in biologischen Zellen durch Einschluss in Poren. In temperaturabhängigen Untersuchungen interessieren wir uns auch für die Eignung verschiedener Kosolventien für die Kryokonservierung von Proteinen.

Bild: AG Vogel

Experimente zur Proteindynamik

In experimentellen Untersuchungen zur Kopplung von Protein- und Lösungsmitteldynamik kombinieren wir kernmagnetische Resonanz, dielektrische Spektroskopie, quasielastische Neutronenstreuung und kalorimetrische Messungen, um ein umfassendes Bild zu gewinnen.

Zur Erforschung grundlegender Zusammenhänge verwenden wir Systeme mit wohldefinierter Zusammensetzung. Die Mehrzahl unserer Studien konzentriert sich auf die globulären Proteine Myoglobin und Lysozym sowie die fasrigen Proteine Elastin und Kollagen. Zum Beispiel untersuchen wir Elastin mit niedrigem Hydratationsgehalt, um das Crowding in Zellen zu imitieren und die Kristallisation von Wasser in temperaturabhängigen Messungen zu vermeiden. Mittels Neutronenstreuung beobachten wir, dass das mittlere Verschiebungsquadrat der Elastinprotonen dynamische Übergänge bei 3 charakteristischen Temperaturen zeigt. Ein Vergleich mit Ergebnissen aus kernmagnetischer Resonanz und dielektrischer Spektroskopie erlaubt die Folgerung, dass die Übergänge bei 125 K und 195 K durch ein Einsetzen von Methylgruppenreorientierung bzw. Proteinrückgratfluktuationen hervorgerufen werden, die unabhängig von bzw. gekoppelt an die Wasserdynamik erfolgen. Dahingegen lässt sich der Übergang bei 320 K auf den kalorimetrisch beobachteten Glasübergang zurückführen.

Temperaturabhängiges mittleres Verschiebungsquadrat der Elastinprotonen aus Untersuchungen mit quasielastischer Neutronenstreuung an trockenem und hydratisiertem Elastin
Temperaturabhängiges mittleres Verschiebungsquadrat der Elastinprotonen aus Untersuchungen mit quasielastischer Neutronenstreuung an trockenem und hydratisiertem Elastin
Bild: AG Vogel

Simulationen zur Proteindynamik

In Molekulardynamik-Simulationen lassen sich die Wechselwirkungen und Zusammensetzungen von Modellsystemen perfekt kontrollieren. Außerdem ist es möglich eine Vielzahl von Eigenschaften des Modells als Funktion von Ort und Zeit zu analysieren. Wir nutzen diese Möglichkeiten zur Erforschung des Zusammenspiels von Protein- und Lösungsmitteldynamik.

Hierfür betrachten wir für verschiedene Protein-Lösungsmittel-Paare gezielt die Vorgänge in der Nähe der Grenzfläche zwischen den Komponenten. Für ein Computermodell des Bindegewebsproteins Elastin ergeben unsere Simulationen, dass sich die Beweglichkeit von Elastin mit Zugabe von Wasser zunächst rasch erhöht bevor bei größeren Hydratationsgraden (h > 1 g/g) eine Sättigung auftritt. Weiterhin finden wir in ortsaufgelösten Analysen, dass mit zunehmendem Abstand von der Protein-Wasser-Grenzfläche die Proteindynamik langsamer, die Wasserdynamik aber schneller wird. Die dynamische Kopplung beeinflusst somit das Bewegungsverhalten beider Komponenten.

Korrelationszeiten der Dynamik von Elastin als Funktion des Abstands von der Hydrathülle für verschiedene Hydratationsgrade (in g/g)
Korrelationszeiten der Dynamik von Elastin als Funktion des Abstands von der Hydrathülle für verschiedene Hydratationsgrade (in g/g)

Publikationen

  • Sorin A. Lusceac, Michael R. Vogel, and Claudia R. Herbers (2010). “2H and 13C NMR Studies on the Temperature-Dependent Water and Protein Dynamics in Hydrated Elastin, Myoglobin and Collagen,” Biochimica et Biophysica Acta (BBA) – Proteins and Proteomics 1804, no. 1 (January 2010): 41–48, https://doi.org/10.1016/j.bbapap.2009.06.009.
  • Kerstin Kämpf et al. (2020). “Quasielastic Neutron Scattering Studies on Couplings of Protein and Water Dynamics in Hydrated Elastin,” The Journal of Chemical Physics 152, no. 24 (June 28, 2020): 245101, https://doi.org/10.1063/5.0011107.
  • Timothy Wohlfromm and Michael Vogel (2019). “On the Coupling of Protein and Water Dynamics in Confinement: Spatially Resolved Molecular Dynamics Simulation Studies,” The Journal of Chemical Physics 150, no. 24 (June 28, 2019): 245101, https://doi.org/10.1063/1.5097777