In der Natur und Technologie findet man Flüssigkeiten sehr häufig in nanoskopisch einschränkender Geometrie und somit in der Nähe innerer Grenzflächen. Beispielsweise hält sich Wasser in geologischen und biologischen Materialien, aber auch in industriellen Anwendungen in engen Zwischenräumen auf. Die Mehrzahl der natürlichen und technologischen Confinements enthält dabei keine reinen Flüssigkeiten, sondern Flüssigkeitsmischungen. So befinden sich in biologischen Zellen Wasser und Cosolventien zwischen verschiedensten Biopolymeren, die nur einen Abstand von einigen wenigen Nanometern aufweisen.

Kleine Systemgröße, große Wirkung …

Generell können sich die Eigenschaften eines Systems stark verändern, wenn die Systemgröße auf die Nanometer-Skala verringert wird. Eine solche Verkleinerung bewirkt, dass Grenzflächen-Effekte, die durch spezifische Wechselwirkungen an den Rändern verursacht werden, im Vergleich zu Volumen-Effekten enorm an Bedeutung gewinnen. Hieraus resultieren sehr komplexe und unvollständig verstandene Eigenschaften. Flüssigkeiten im Nano-Confinement sind deshalb für die grundlagen- und die anwendungsorientierte Forschung gleichermaßen von sehr großem Interesse.

Forschungsarbeiten verschiedener Arbeitsgruppen zum Thema „Wasserstoffbrückenbildende Flüssigkeiten bei Anwesenheit innerer Grenzflächen unterschiedlicher Hydroaffinität“ waren gebündelt in der DFG Forschungsgruppe 1583.

Forschungsgruppe 1583

Bild: AG Vogel

Experimente zu Flüssigkeiten an Grenzflächen

Insbesondere das Verhalten von Wasser an Grenzflächen ist von enormer Relevanz. Bekanntermaßen unterdrücken Confinements der Größe weniger Nanometer die Kristallisation von Wasser. Wir untersuchen die Wasserdynamik in solchen Nanoporen mittels kernmagnetischer Resonanz und dielektrischer Spektroskopie.

Insbesondere studieren wir Wasser in porösen Silicamaterialien mit gezielt veränderten inneren Oberflächen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Eigenschaften der Grenzflächen maßgeblich die Beweglichkeit benachbarter Wassermoleküle beeinflussen. So beobachten wir, dass eine Funktionalisierung der inneren Silicaoberflächen mit Aminosäuren die Zeitskala der Rotationsdynamik von Wasser um bis zu 2 Größenordnungen verlangsamt. Dabei ist der Effekt für basisches Lys stärker als für saures Glu, während neutrales Ala eine intermediäre Rolle spielt. Diese Resultate geben Anlass zur Vermutung, dass die biologisch sehr wichtige Wasserbeweglichkeit an Proteinoberflächen durch die Aminosäuresequenz gesteuert wird.

Temperaturabhängige Rotationskorrelationszeiten von Wasser in Silicaporen, deren innere Oberflächen am Fachbereich Chemie mit verschiedenen Aminosäuren (Lys, Ala, oder Glu) funktionalisiert wurden.
Temperaturabhängige Rotationskorrelationszeiten von Wasser in Silicaporen, deren innere Oberflächen am Fachbereich Chemie mit verschiedenen Aminosäuren (Lys, Ala, oder Glu) funktionalisiert wurden.
Bild: AG Vogel

Simulationen zu Flüssigkeiten an Grenzflächen

In Molekulardynamik-Simulationen lassen sich die Struktur und Dynamik von Flüssigkeiten in der Nähe von Festkörperoberflächen ortsaufgelöst analysieren, z.B. als Funktion des Abstands zur inneren Grenzfläche.

Für verschiedene Flüssigkeiten ergab sich aus solchen Untersuchungen, dass sich die Dynamik der Flüssigkeitsmoleküle in der Nähe von Festkörperoberflächen um mehrere Größenordnungen verlangsamen kann. Im Fall von Wasser gelang es uns zu zeigen, dass sich die Veränderung der Dynamik auf einen statischen Beitrag zur Energielandschaft zurückführen lässt, der durch die Wechselwirkung der Flüssigkeitsmoleküle mit der Festkörperoberfläche, z.B. aufgrund von Wasserstoffbrücken-Bindungen, hervorgerufen wird. Die Reichweite des Effekts ist aber auf wenige molekulare Schichten an der Grenzfläche beschränkt.

Rotationskorrelationszeiten von Wasser als Funktion des Abstands von einer festen Grenzfläche
Rotationskorrelationszeiten von Wasser als Funktion des Abstands von einer festen Grenzfläche

Publikationen

  • Gerd Buntkowsky, Michael Vogel und Roland Winter (2018). „Properties of Hydrogen-Bonded Liquids at Interfaces“ Zeitschrift für Physikalische Chemie, vol. 232, no. 7-8, 2018, pp. 937-972. https://doi.org/10.1515/zpch-2018-1110
  • Julian Geske, Michael Harrach, Lotta Heckmann, Robin Horstmann, Felix Klameth, Niels Müller, Elvira Pafong, Timothy Wohlfromm, Barbara Drossel und Michael Vogel (2018). „Molecular Dynamics Simulations of Water, Silica, and Aqueous Mixtures in Bulk and Confinement“ Zeitschrift für Physikalische Chemie, vol. 232, no. 7-8, 2018, pp. 1187-1225. https://doi.org/10.1515/zpch-2017-1042
  • Gerd Buntkowski und Michael Vogel (2020). „Small Molecules, Non-Covalent Interactions, and Confinement“ Molecules 25, no. 14: 3311. https://doi.org/10.3390/molecules25143311